Achtsamkeit

Achtsamkeit

Die Achtsamkeitsmeditation

Die Achtsamkeitsmeditation ist eine spirituelle Übung in Bewusstheit, Dankbarkeit und Nächstenliebe sowie die bewusste Wahrnehmung des Göttlichen in der gesamten Schöpfung und in allen Dingen einschließlich dem eigenen Körper. Die Achtsamkeitsmeditation ist eine asketische Praxis und zielt auf die bewusste Wahrnehmung des Körpers, der Gefühle, der Gedanken und die Wahrnehmung der Phänomene und fokussiert sich auf das Hier und Jetzt und das Loslassen von Begierden und Abneigungen. Das Ankommen im Hier und Jetzt und nicht das Anhaften an Erinnerungen oder Gedanken an die Zukunft sind die Merkmale dieser Übung. Durch die Leerung des Geistes öffnet sich der oder die Praktizierende für die Erfahrung der Transzendenz. Achtsamkeit wird auch als Methode zur Stressreduktion eingesetzt. Allerdings sollte man dabei beachten, ob der Stress maßgeblich vom Umfeld verursacht wird oder durch den eigenen Umgang damit. Im zweiten Fall kann sie hilfreich sein, im ersten Fall ist es vielleicht ratsamer an der stressverursachenden Situation zu arbeiten. Die Praxis der Achtsamkeit ist dann am wirksamsten, wenn sie in Verbindung mit einer religiösen oder weltanschaulichen Tradition verbunden ist, z.B. die keltisch-christliche Spiritualität oder christliches Zen. Hier dient sie als Vorbereitung für das stille Gebet, aber auch als eigenständige Praxis. Ob die asketische Praxis der Achtsamkeit zum eigenen Lebensentwurf passt, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Der Weg der Meditation ist ein spirituelles Angebot, aber keineswegs eine Pflicht in der keltischen Tradition, so wie die meisten Angebote der Kirche. Das, was in der Achtsamkeitsmeditation eingeübt wird, wird danach in den Alltag übertragen. Den Alltag bewusster und achtsamer zu gestalten, ist ein Ziel der Übung und verbessert wiederum die Meditation selbst.


Achtsamkeit auf den Atem – Die Drei-Kessel-Meditation

Die Achtsamkeit auf den Atem ist eine grundlegende Form der Meditation. Hierbei fokussiert man die Wahrnehmung auf die Phasen des Atmens, also auf das Einatmen, das Ausatmen und die Phasen zwischen dem Ein- und Ausatmen und Aus- und Einatmen. Der Atem wird nur beobachtet, ohne ihn zu beeinflussen. Die aufkommenden Gedanken werden wahrgenommen, aber man schenkt ihnen keine Beachtung und lässt sie gehen wie eine Wolke am Himmel vorbeifliegt. Unsere Gedanken sind ein natürlicher Vorgang unseres Denkapparats. Wenn man merkt, dass sich die Gedanken verselbständigt haben, nimmt man dies zur Kenntnis und kehr zurück zum Atem. Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Pläne werden etikettiert mit „Denken“ oder einem spezielleren Begriff und man kehr immer wieder zurück. Die Gedanken werden nicht abgelehnt, sondern einfach nur wahrgenommen, etikettiert und weiterziehen lassen. Ähnlich wie beim stillen Gebet, können Hindernisse auftreten, die von einem Zustand der reinen Meditation oder des reinen Gebets abhalten. Im Buddhismus spricht man von den fünf Hindernissen (Zweifel, Unruhe, Trägheit, Widerwillen, Verlangen), die christlichen Wüstenväter haben acht Laster beschrieben. Durch diese Hindernisse bzw. Laster muss man sich hindurcharbeiten, um zur reinen Gedankenstille zu gelangen. Die acht Laster werden in drei Gruppen der Seele (Trägheit, Zorn, Traurigkeit), dem Körper (Habsucht, Unzucht, Völlerei) und dem Geist (Ruhmsucht, Stolz) zugeordnet.


In dem alten keltischen Gedicht „Der Kessel der Poesie“ werden drei Kessel beschrieben, der Kessel der Weisheit, der Kessel der Berufung und der Kessel Wärme. In der modernen keltischen Spiritualität wurden diese Kessel im Körper verorten und bilden so ein Äquivalent zu den Chakren der östlichen Spiritualität. Der Kessel der Weisheit ist im Kopfbereich, der Kessel der Berufung im Herzbereich und der Kessel der Wärme im Bauch und Unterleib verortet. In genau diesen drei Bereichen nehmen wir bei der Drei-Kessel-Meditation den Atem war, in dem wir bewusst unsere Achtsamkeit dorthin lenken. Die drei Kessel sind sozusagen das positive Gegenbild zu den drei Gruppen der acht Laster.  Eine weitere Parallele finden wir im Enneagramm, wo die acht Persönlichkeitstypen den drei Zentren Bauch (1, 8, 9), Herz (2, 3, 4) und Kopf (5, 6, 7) zugeordnet werden.


Eingeleitet wird die Atemmeditation durch einen kurzen Bodyscan, den wir in der keltischen Tradition innere Pilgerreise nennen.


Anleitung zur Atem- und Körpermeditation

Setz dich auf eine bequeme Unterlage, z.B. ein Meditationskissen oder einen Stuhl. Richte deine Wirbelsäule gerade aus, den Kopf in Richtung Himmel und das Gesäß in Richtung Boden. Wenn du auf eine Meditationskissen oder -hocker sitzt, sollten die Knie den Boden berühren. Strecke die Brust etwas heraus und bilde ein leichtes Hohlkreuz und nimm eine stabile und bequeme Position ein. Lege deine Hände ineinander auf den Schoß und lasse die Daumen sich berühren. Die Handposition nennt mach auch kosmische Mudra.


Nimm drei kräftige Atemzüge, einen mit der Erde unter dir, einen mit dem Himmel über dir und einen mit dem Meer und den Gewässern oder der Natur um dich herum.


Beginne nun mit der inneren Pilgerreise. Lenke dein Bewusstsein auf den Scheitel und die Schädeldecke und nimm wahr, wie sich dies anfühlt. Fühlt sich gut an oder nimmst du einen Schmerz wahr. Gib dem Gefühl einen Raum und danach gehe weiter zur Stirn und fühle dort hinein. Auf diese Weise gehst du den ganzen Körper durch von oben nach unten. Du fühlst die Augen, die Wangen, Nase, Kiefer, den Hals, die Schultern, die Arme, Hände, Brustkorb, Solarplexus, Bauch, Unterleib, die Geschlechtsteile, den Rücken, das Becken, die Oberschenken, die Knie, das Sprunggelenk und die Füße. Dein Körper entspannt sich dabei auf natürliche Weise ohne deine Beeinflussung.


Danach lenkst du deine Achtsamkeit auf die ein- und ausströmende Luft bei den Nasenöffnungen. Verweile mit deiner Aufmerksamkeit für ca. 3 Minuten. Wenn Gedanken kommen, nimm sie wahr und kehre zurück auf den Atem wie oben beschrieben. Danach lenke deine Achtsamkeit auf den sich hebenden und senkenden Brustkorb bei Ein- und Ausatmen und verweile dort ca. 3 Minuten. Danach lenkst du dein Bewusstsein auf den Bauch und spürst, wie sich Bauch hebt und senkt mit dem Fluss des Atmens. Danach gehst du wieder zurück auf den Brustkorb und verweist für weitere 3 Minuten dort, und letztlich zur Nasenöffnung wieder für drei Minuten.


Lenke deine Aufmerksamkeit wieder auf den Raum um dich herum und bringe deine Achtsamkeit wieder zurück in das Alltagsbewusstsein. Strecke und lockere dich. Vielleicht möchtest du im Anschluss zur Erdung einen Tee trinken oder eine Kleinigkeit essen.


Die Gehmeditation

Bei längeren Meditationsaufenthalten, aber auch als eigenständige Praxis, eignet sich das achtsame Gehen, dass man zwischen den sitzenden Meditationen praktizieren kann. Die Gehmeditation kann im Meditationsraum, in einer Kirche oder in der Natur geübt werden. Bei der Gehmeditation lenken wir die Achtsamkeit auf jede Phase des Gehens, also auf das Anheben des Fußes, das nach vorne Bewegen und dann das Aufsetzen des Fußes und so weiter. Man kann zusätzlich auch das Anheben des Fußes mit dem Einatmen und das Absetzen mit dem Ausatmen verbinden. Der Gehvorgang wird dabei sehr verlangsamt. Für das achtsame Gehen kann man sich zwischen 15 und 60 Minuten Zeit einplanen.


Die Achtsamkeitsmeditation in der Gruppe

Die Meditation in der Gruppe sollte von einem erfahrenen Praktizierenden angeleitet werden. Eine formale Ausbildung ist dafür nicht erforderlich; die eigene Erfahrung mit der Meditation ist ausschlaggebend. Die Atemmeditation wird einer drei Schlägen einer Klangschale eingeleitet und beendet. Der Wechsel zwischen den Phasen wird mit einem Schlag markiert. Für eine Gruppe von erfahrenden Praktizierenden reichen die Schläge der Klangschale, bei einer etwas unerfahreneren Gruppe, wird die Meditation aktiv angeleitet.


Eine praktische Anleitung der Drei-Kessel-Meditation und der inneren Pilgerreise findet sich gegen Ende der Mystischen Stunden, Folge 2 und 3, auf dem YouTube Kanal der Ancient Celtic Church (https://www.youtube.com/channel/UCxd5IdzoWoOR80Rn3pyAknw).


Die fünf Hindernisse

In der östlichen Spiritualität werden die folgenden fünf Hindernisse der Meditation genannt:

1.     Sinnenlust, sinnliches Begehren

2.     Übelwollen, Ablehnung (auch: Hass)

3.     Stumpfheit und Mattheit (auch: Starrheit, Trägheit)

4.     Ruhelosigkeit und Aufgeregtheit

5.     skeptischer Zweifel


Die acht Laster

Die Wüstenväter kannten den Umgang mit den folgenden acht Lastern, die einen Betenden vom reinen Gebet abhalten:

1.     gastrimargía (Gaumenlust)

2.     porneía (Unzucht)

3.     philarguría (Geldgier)

4.     lúpe (Traurigkeit)

5.     orgé (Zorn)

6.     akedía (Trägheit)

7.     kenodoxía (Ruhmsucht)

8.     huperephanía (Stolz)


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