Wir erleben eine Zeit der ökologischen Krise und das Ergebnis könnte das Ende der menschlichen Gesellschaft sein, wie wir sie kennen. Es ist bereits das Ende von Tausenden anderer Arten und das IPCC prognostiziert das Aussterben von 1 Million Arten im nächsten Jahrzehnt. Artensterben, Klimawandel, Ressourcenerschöpfung, Lebensraumverschlechterung und Überbevölkerung sind die fünf größten Bedrohungen, die zum Zusammenbruch führen werden, wenn wir unseren Kurs nicht dramatisch ändern. Die Zeit der oberflächlichen Ökologie ist vorbei und tiefe ökologische Maßnahmen sind überlebenswichtig. Wie integriert sich die keltisch-christliche Spiritualität in das Gesamtbild (Big Picture) der ökologischen Philosophie und der Umweltbewegungen? Arne Naess, ein norwegischer Philosoph, kreierte 1973 den Begriff Tiefenökologie (Deep Ecology) für eine ökologische Graswurzelbewegung und bot einen Rahmen, in dem verschiedene Philosophien und Religionen grundlegende Voraussetzungen bieten können, aus denen Prinzipien, allgemeine Ansichten und Lebensstile sowie praktische Entscheidungen abgeleitet werden können. ‚Ecosophy T' ist der Name, den Arne Naess für seine eigene ökologische Philosophie gewählt hat, das T bezieht sich auf Tvergastein, eine Berghütte, in der er viele seiner Bücher schrieb. Naess schlug vor, dass es auch eine Philosophie A und B oder eine Religion A und B geben könnte, die die grundlegenden Voraussetzungen für die Tiefenökologie liefern. Für die Philosophie des Christentums im Kontext der Tiefenökologie steht der Begriff ‚Ecosophy C‘. Die Ebenen der Tiefenökologie werden im so genannten Apron-Diagramm visualisiert.
Aus den absoluten Prämissen der Ökosophie C, die auf der Ebene 1 definiert sind, werden die Plattformprinzipien der allgemeingültigen Ebene 2 abgeleitet:
Diese Prinzipien lassen sich auf drei einfache Sätze reduzieren:
Aus den allgemeinen Plattformprinzipien leitet die Ökosophie C (C=christlich) individuelle, nicht konkrete Lebensstile der Ebene 3 und praktische Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Ebene 4 ab. Obwohl sich die Ecosophy C möglichst an die Plattformprinzipien anlehnen sollte, wäre es auch möglich, einen eigenen Satz von Prinzipien zu definieren. Als Philosophie verfasste Naess Normen und Hypothesen, mit "Selbst-Realisierung!" als ultimativer Norm, aus der er weitere Normen wie Vielfalt!, Komplexität!, Symbiose!, lokale Autonomie!, keine Ausbeutung! und Selbstbestimmung! ableitete. Selbstverwirklichung beinhaltet eine Erweiterung und Vertiefung des Selbst und die Entwicklung des Öko-Selbst (Eco-Self). Die traditionelle Sicht auf die Entwicklung des Selbst besteht darin, das Ego-Selbst zum sozialen Selbst und von dort zum metaphysischen Selbst zu entwickeln, wobei die nächste Ebene die vorherige mit beinhaltet. Bei dieser Sicht werden die Natur und die Tiere übersehen. Über die Identifizierung mit der unmittelbaren Umwelt wird das Öko-Selbst entwickelt mit dem Effekt, dass Umweltaktivismus nicht mehr als ein Akt des Altruismus für etwas außerhalb des Selbst wahrgenommen wird, sondern als ein Akt der Selbstverteidigung. Die grundlegendsten von Naess entwickelten Normen und Hypothesen beginnen mit der Norm N1, Selbstverwirklichung! Daraus leiten sich drei Hypothesen ab, H1: Je höher die von jedem erreichte Selbstverwirklichung, desto breiter und tiefer die Identifikation mit anderen. H2: Je höher die Ebene der Selbstverwirklichung, die jeder erreicht, desto mehr hängt ihre weitere Zunahme von der Selbstverwirklichung anderer ab. H3: Die vollständige Selbstverwirklichung eines jeden hängt von derjenigen aller ab. Dies führt zur Norm N2: Selbstverwirklichung für alle Lebewesen!
Ein Merkmal der keltischen Kirche ist die Naturverbundenheit und daher ist das Ideal des Ökoselbst neben dem sozialen und metaphysischen Selbst naheliegend. Wir müssen unsere Perspektive von einer anthropozentrischen und theozentrischen auf eine holistische Sicht erweitern, das heißt die Ganzheit aus Natur, Mensch und Gott. Wir verwirklichen dieses Ideal, in dem wir ganz bewusst die Nähe zur Natur suchen und speziell an den acht keltischen Festen den Kontakt zur Natur und zu den Jahreszeiten aufnehmen. Wir werden uns bewusst, dass die Natur Teil der Schöpfung ist, genau wie wir selbst. Die Natur und der Mensch gehören zur gleichen Familie, wir bilden als Teil unserer Mutter Erde eine symbiotische Einheit. Wenn wir die Schöpfung zerstören, dann zerstören wir uns selbst. Gott hat uns die Verantwortung für die Schöpfung übertragen, nicht dass wir sie bis zum Letzten ausbeuten, sondern damit wir sie bewahren. Gott ist in seiner Schöpfung gegenwärtig und macht die Natur damit heilig. Wir dürfen sie nicht entweihen und dort, wo es geschieht, müssen wir den Schaden umkehren und sie wieder weihen und segnen. Daraus folgt auch, dass wir gegen die Zerstörung der Natur kämpfen und uns für die Natur einsetzen müssen. Die allgemeine Tiefenökologie und die spezielle Ökosophie C gibt uns einen Rahmen, in dem wir das Umwelt-Engagement der Alt-Keltischen Kirche definieren und auf allen vier Ebenen entwickeln können. Dieser Rahmen macht unsere Umweltphilosophie vergleichbar und kompatibel mit den Ökosophien anderer Religionen. Eine Möglichkeit zur Umsetzung unserer Ökosophie in Umweltaktivismus bildet „die Arbeit, die wieder verbindet“ von Joanna Macy. In ihrem Buch „Hoffnung durch Handeln“ („Active Hope“) beschreibt sie diesen Weg, der sich aufgrund des Denkens in Kreisläufen sehr gut mit der keltischen Spiritualität und dem Jahreskreis verbinden lässt. Man muss kein großer Prophet sein, um zu erkennen, dass dieser Weg vor uns liegt uns wir diesen beherzt angehen müssen.
Die Alt-Keltische Kirche ist Mitglied im Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit in Deutschland und unterstützt die Christians for Future Bewegung.
Die Mystische Stunde zum Thema Ökologische Verantwortung auf
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