Was ist christliche Meditation und Kontemplation?
Meditation und Kontemplation werden in der christlichen Tradition anders definiert als in den östlichen Religionen. Im Christentum bedeutet Meditation über etwas nachzusinnen bzw. über etwas zu meditieren. In der benediktinischen Tradition der
Lectio Divina, der göttlichen Lesung, wird ein biblischer Text gelesen und danach mit allen Sinnen darüber nachgedacht, man taucht in den Text ein, fühlt sich ein, hört sich ein, riecht sich ein und denkt sich in die Perspektiven aller handelnden Personen ein, um die Bedeutung des Texts voll zu durchdringen. Diesen Vorgang nennt man Meditieren. Wenn man dann die wesentliche Botschaft des Texts begriffen hat und darin im Gebet zur Ruhe kommt und alle Gedanken fallen lässt, dann tritt die Kontemplation ein. Das zur Ruhe Kommen im Gebet oder in der Kernbotschaft der Schriftstelle ist die Kontemplation. In den östlichen Meditationen werden die Begriffe häufig genau umgekehrt verstanden; das sind aber technische Details und man muss sich einfach nur bewusst sein, welche Definition ein Gesprächspartner verwendet. Wenn allgemein von christlicher Meditation gesprochen wird, dann bezieht dies in der Regel die Kontemplation mit ein. Mit der Meditation und der Kontemplation wird häufig der Begriff Mystik assoziiert. Neben der Schriftmeditation, also der Lectio Divina, gibt es auch andere Objekte, über die man meditieren und kontemplieren kann. Im Einwortgebet, der Ruminatio, z.B. dem Herzensgebet bzw. Jesusgebet, wird das Wort Jesus oder ein kurzes Gebet wie z.B. "Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner" im Rhythmus des Atems still wiederholt bis man darin zur Ruhe kommt. In der Alt-keltischen Kirche werden auch die
Geistlichen Übungen der sieben Stufen, die
Liebende Güte (Herzensgüte) und Mitleid (Tonglen) meditiert.
Der selig gesprochene Karmelitermönch Titus Brandsma schrieb, dass Mystik zu 99,9% Psychologie ist, also fast vollständig dem menschlichen Geist entspringt. Die Erlebnisse und in der Meditation erfahrenen Erkenntnisse sind keine übernatürlichen Phänomene. Wenn Gott in der Meditation und der Kontemplation hindurchscheint, dann dadurch, dass wir uns für seine Gegenwart geöffnet und seine Botschaft plötzlich verstanden haben. Ob dies nun unser Geist geschafft oder Gott uns dabei entgegen gekommen ist, das können wir getrost im Bereich des Mysteriums belassen.
Wozu dient die christliche Meditation und Kontemplation?
Die christliche Meditation ist eine Technik zur Erkenntnisgewinnung und Geistesschulung. Die jeweiligen Meditationstechniken verfolgen unterschiedliche Ziele.
Beim flüchtigen Lesen der Bibel können wir deren tiefere Bedeutung und Botschaften nicht voll erkennen. Wenn wir über einen biblischen Text meditieren (Schriftmeditation - Lectio Divina), dringen wir in die tieferen Ebenen vor und verstehen dann wirklich, was uns darin mitgeteilt werden soll. Das Eintauchen in den Meditationsgegenstand und das zur Ruhe kommen und Verweilen ist ein Erfahren und Erleben und nicht nur interlektuelles Nachdenken.
Bei der Liebenden Güte Meditation konditionieren wir unseren Geist, andere Menschen und Wesen positiver und liebevoller zu sehen. Wir überwinden damit Zorn und Hass. Diese Geistesschulung macht uns zu freundlicheren Zeitgenossen und verständnisvoller, ganz im Sinne der Nächstenliebe. Man kann diese Meditation als meditative Form des Fürbittegebets betrachten.
Die Atemmeditation schult uns in Achtsamkeit. Die unbewussten Wahrnehmungs- und Reaktionsmuster sowie Gedanken und Gefühle werden bewusster wahrgenommen und geben uns die Möglichkeit, bewusster und ruhiger zu handeln.
Beim Jesusgebet folgen wir der biblischen Anweisung "Bete ohne Unterlass". Sie dient auch der Nachfolge Jesu Christi, in dem wir in anderen und in uns selber Jesus erkennen und damit Jesus in uns wachsen lassen können, so wie Paulus es ausgedrückt hat "Jesus in uns".
Bei der Meditation in der Natur und an Orten, an denen wir die Gegenwart Gottes besonders leicht spüren können, werden wir uns darüber bewusst, dass Gott uns nahe ist. In der keltischen Tradition nennen wir diese Orte "dünne Plätze".
Aber natürlich hat die christliche Meditation auch aufgrund ihrer Entspannungswirkung ihren Wert. In medizinischen Studien über Meditation, z.B. über Achtsamkeitsbasierte Stressredukion, Autogenes Training u.s.w., wurden die positiven Wirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden belegt.
Wo kann man die christliche Meditation erlernen?
Viele christliche Gemeinden und Ordensgemeinschaften bieten regelmäßige Meditationstreffen und Seminare an. In Klostergemeinschaften kann man an mehrtätigen Meditationsklausuren teilnehmen. Gerade über das Jesusgebet (Herzensgebet) sind viele gute Bücher erhältlich, mit deren Hilfe man das kontemplative Gebet autodidaktisch erlernen kann. Anschließend sollte man versuchen, eine regelmäßig Praxis aufrecht zu erhalten. Dabei sollte man sich selber nicht zu sehr unter Druck setzen, das wäre eher kontraproduktiv. Für eine regelmäßige Praxis kann eine Gruppe sehr unterstützend sein. Die Alt-Keltische Kirche bietet regelmäßig Einführungen hierfür an.